Tiroler Volkslieder für Chöre

Zur Entstehung der Sammlung “Echte Tiroler Lieder” von Franz F. Kohl

Am Beginn der konservatorischen Bestrebungen der Volksmusik Tirols stand Franz Friedrich Kohl, der erstmals in begeisternder und systematischer Kontinuität den mündlich überlieferten Volksgesang aufgezeichnet und in repräsentativer Auswahl publiziert hat.

Der Vinschgauer Franz Friedrich Kohl (1851-1924) war von Hauptberuf Naturwissenschaftler und hatte als Zoologe und Kustos am Naturhistorischen Museum in Wien Weltruf erlangt.

In den Sommermonaten galt sein Bemühen allerdings der Aufzeichnung und Erhaltung der Volkslieder seiner Tiroler Heimat. Seine in jahrzehntelanger Forschungsarbeit gewonnene Sammlung “echter” Volkslieder sollte durch die Kraft der bodenständigen Originalität ein Bollwerk gegen die lasziven Einflüsse vieler der Nationalsängerlieder und städtischen Bänkelsängertraditionen sein. So hat er im Jahr 1899 den ersten Band seiner “Echten Tiroler Lieder” bezeichnenderweise im Selbstverlag auf eigenes finanzielles Risiko herausgebracht. Allein dieser großartigen und uneigennützigen Tat ist es zuzuschreiben, dass Tirol ein unvergleichliches Denkmal seiner musikalischen Volkskultur erhalten geblieben ist und nun auf Dauer zur Verfügung steht. Dieser erste Band enthielt 219 Lieder. In den folgenden Jahren hat Kohl seine Sammelarbeit fortgesetzt und noch drei Ergänzungshefte (“Nachlesen”) herausgebracht. Die Summe seines Lebenswerkes auf musikalischem Gebiet bildet dann schließlich die große zweibändige Neuausgabe der “Echten Tiroler Lieder” in den Jahren 1913 (1. Band) und 1915 (2. Band).

Die Bearbeitung der Volkslieder zu Chorsätzen

Als einen Hort für das Fortleben des Volksliedes sah Kohl vor allem auch die zahlreichen Chorvereinigungen. So hat er eine Vielzahl der Volkslieder, die ihm in der Regel in ein- oder zweistimmiger Fassung vermittelt wurden, in seinen Druckwerken im Chorsatz publiziert.

Er ist dabei mit höchster Sorgfalt zu Werke gegangen, sowohl was die Auswahl seiner Mitarbeiter betrifft, als auch die Stilistik der Bearbeitungen:
Als Bearbeiter der Quellen hat er natürlich Kenner des Volksgesangs, die zugleich theoriekundige Musiker waren, bevorzugt, so den Komponisten Josef Reiter, der seine besondere Wertschätzung genoss, sowie Karl Liebleitner, Chormeister des deutschen Volksgesangsvereins in Wien, Franz Worresch, Leiter des Währinger Kirchenmusikvereins und nicht zuletzt Vinzenz Lavogler, Gymnasialprofessor in Innsbruck , der mit seinen schlichten Sätzen dem Ideal einer Volksliedbearbeitung wohl am nächsten kam.

Zur Stilistik einer sachgerechten Bearbeitung eines vierstimmigen Volksliedsatzes führt Kohl folgende Grundsätze an:

“Die beiden Oberstimmen sollen, soweit es angeht, so bleiben, wie sie das Volk zweistimmig singt; die Bewegung erfolgt vorwiegend in Terzen. Der zweite Bass bedient sich keiner anderen Intervalle als der Dominante und der Tonika und nur in Ausnahmefällen der Subdominante. Der Tenor (beziehungsweise 1. Bass) singt keine figurierte Stimme, sondern hält sich, so gut es eben tunlich ist, auf einer Tonhöhe, meistens der Dominante; man sagt im Volke: Er singt den G’radn […].
Das bei den Gesangsvereinen so sehr übliche Glänzenwollen mit hohen Brusttönen ist beim Tirolerliede unmöglich und unnatürlich. […] Das Tirolerlied ist anspruchslos und schlicht. Einfachheit und natürliche Frische bilden den Reiz des Tirolerliedes.”

Zur vorliegenden Auswahl

Die Idee zu dieser Auswahl aus Franz Friedrich Kohl Sammlungen stammt aus den frühen 1990er Jahren. Damals war Manfred Schneider vor allem damit beschäftigt, seinen zahlreichen Aufzeichnungen auf dem Gebiet des geistlichen Volksgesangs, die er in Südtirol gemacht hatte, mit speziellen Liedpräsentationen eine neue Bestimmung zu geben.

Im Zuge der Projekte “Tiroler Weihnachtssingen” und “Tiroler Passions-und Ostersingen” (Aufführungen im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, begleitende CD-Produktion und Liederheft) machte er die Erfahrung, dass die teilnehmenden Chöre, die nach der Probenarbeit sehr oft spontan ein Volkslied angestimmt hatten, zumeist ein Kärntnerlied zum Besten gaben. Tiroler-Lieder, wie sie in der Sammlung Kohl so ideal auch für Chöre repräsentiert sind, waren kaum bekannt und so ist in ihm schon damals die Notwendigkeit klar geworden, den zahlreichen Chören Tirols in geeigneter und zeitgemäßer Form eine Tiroler Liedersammlung aus dem einzigartigen Repertoire dieser Quellen zur Verfügung zu stellen.

Aufgrund zahlreicher Verpflichtungen über all die Jahre musste die Idee immer wieder aufgeschoben werden, um dringenden Projekten den Vorzug einzuräumen. Dies brachte aber auch den Vorteil, dass nun eine Präsentation mit den aktuellsten technischen Einrichtungen möglich wurde. So wurde diese Liedauswahl nicht mehr – wie ursprünglich vorgesehen – in Form eines gedruckten Liederheftes publiziert, sondern im Internet veröffentlicht. Jeder Interessent kann sich so sein gewünschtes Lied aussuchen, im Computersound anhören, herunterladen und für die übrigen Chormitglieder vervielfältigen. Damit ist insbesondere für die Tiroler Chöre, aber auch für alle anderen Benützer das erste Internet-Chorliederbuch Tirols verfügbar.

Wir glauben, dass wir damit zudem der ursprünglichen Intention der großartigen Erschließungsarbeit durch Franz Friedrich Kohl mit aktuellen technischen Mitteln und der bleibenden Anerkennung und Wertschätzung seines Werks dienen.